Am 1. März 1974 eröffnete das Münchner Stadtmuseum eine Ausstellung mit dem schlichten Titel COMICS. Eine Sensation, die die wenigen, ernsthaft am Medium Comic Interessierten jener Zeit elektrisierten. Zum ersten Mal wurden Comics ernst genommen, diskutiert und in einem Museum ausgestellt. Mit großen Erwartungen fuhr an diesem Tag ein Schweizer namens Rene Lehner von Zürich nach München, in der Tasche ein kleinformatiges, 16seitiges Fanzine mit dem hochtrabenden Titel INTERNATIONALE COMIC NACHRICHTEN. Ein mit dem Fotokopierer hergestelltes, unausgereiftes Heftchen in einer Auflage von 100 Exemplaren, inspiriert von französischen Fanzines.
Zwei Freunde in München
Zur gleichen Zeit tauchte an dieser Ausstellung ein gewisser Thilo Rex (siehe Foto, Junge in der Mitte) aus Altwarmbüchen auf, in der Tasche ebenfalls ein Schülerheft mit dem Titel COMICS MAKER,
das er zusammen mit Andreas C. Knigge an der hannover-
Die Comiclandschaft war zu dieser Zeit von einer heute kaum noch vorstellbaren Tristesse und wurde bestimmt von den wöchentlichen Heftserien der Verlage Bastei, Ehapa, Kauka und anderen Herausgebern. Immerhin gab es seit zwei Jahren ZACK, und der Carlsen-Verlag begann gerade, sein Albumangebot über Tim und Struppi hinaus zu erweitern. Mit Comics. Anatomie eines Massenmediums von Wolfgang J. Fuchs und Reinhold C. Reitberger war soeben ein erstes fundiertes Buch über Comics erschienen. Ideale Gründerstimmung für ein Comicfanzine, dachte man damals.
Die Anfänge
Verantwortlich für die COMIXENE zeichneten Thilo Rex und Rene Lehner. Andreas C. Knigge blieb weiterhin Herausgeber des COMICS MAKERS und die drei suchten den Schulterschluss, indem jede dritte Ausgabe ein COMICS MAKER-Heft sein sollte. Im Vorwort der Nummer 3 beschreibt Andreas C. Knigge das Nebeneinander von COMIXENE und COMICS MAKER: „Dies ist nun die erste CM-Nummer nach der Neugestaltung und der damit vollzogenen Trennung von CX und CM.“ Eckart Sackmann erforschte in seinem Buch Die deutsch-
Dann ging es zügig voran. Heft für Heft erschien in immer größerer Auflage und mit der Nummer 18 im April 1978 kam zum ersten Mal ein vierfarbiges Cover hinzu. Die Edition Lehner & Knigge wurde gegründet. Doch die Redaktionsarbeit wurde immer umfassender und eine Zusammenarbeit zwischen Zürich und Hannover schwieriger - zu Zeiten ohne Internet und mit teuren Telefongebühren ins Ausland.
Retter aus der Not
Hinzu kam der Druck nach Professionalität, (denn 1978 erschien die erste Konkurrenz, DIE SPRECHBLASE, von Norbert Hethke) eine leere Kasse und Knigges Einberufung zum Ersatzdienst. Die Arbeit war kaum zu bewältigen. Retter aus der Not versprach eine Anfrage der beiden Kölner Hartmut Becker und Achim Schnurrer. Sie reisten nach Hannover zu Andreas C. Knigge und gemeinsam wurde ein neues Konzept erarbeitet, das auch eine bessere Vertriebsstruktur zum Inhalt hatte.
So stieß im Juli 1978 Hartmut Becker als fester Mitarbeiter dazu und löste Rene Lehner ab, der sich ganz zurückzog und 1981 nach Spanien auswanderte, um sich nur noch dem Zeichnen zu widmen. Es entstand 1980 die Edition Becker & Knigge GmbH und die beiden Verleger prägten die deutsche Comiclandschaft nachhaltig. „Andreas C. Knigge hob die COMIXENE in den sieben Jahren ihres Bestehens auf das höchstmögliche Niveau“, schreibt E. Sackmann in seinem Sachbuch über die deutsche Comicfachpresse*. Trotzdem reichte die Auflage nicht und 1982 stand der Gang zum Konkursrichter an. Das Heft wurde eingestellt und nach 42 regulären Ausgaben erschien für kurze Zeit ein achtseitiger Newsletter, der die Rolle des bisherigen Magazin-Teils übernehmen sollte (Bis Nr. 50).
Die Wiedergeburt
Gut ein Dutzend Jahre nachdem der letzte COMIXENE-Newsletter erschienen war, kam es zur ersten Wiederbelebung. Im Sommer 1994 erschien mit einem Wendecover eine neue COMIXENE, die auf der Titelseite mit ihrem Erscheinungsbild und der Nummer 43 direkt an die letzte Ausgabe von 1981 anschloss, während die Rückseite die Nummer 51 trug - also die Newsletter-Publikationen mitzählte - und fortan die reguläre Weiternummerierung begründete.
Außerdem zeichnete diese Nummer 51 ein neues Coverdesign aus, das einen links außen am Heftrand hochlaufenden Titelschriftzug aufwies. Noch radikaler hätte man kaum unterstreichen können, dass dies eine wirklich komplett neue COMIXENE sein sollte! Verantwortlich für diesen Neustart waren Thomas Bleicher und Joachim Kaps, die seit etlichen Jahren im deutschsprachigen Comic-Journalismus aktiv waren und für Magazine wie COMIC FORUM oder COMIC INFO gearbeitet hatten.
Die Ära Bleicher/Kaps
Die Professionalität sah man den Heften sofort an, die ein für die damalige Zeit recht modernes Layout nebst spannendem Themenmix präsentierten. Dominierte in früheren COMIXENE-Ausgaben oftmals noch die klassische Aufarbeitung der Comic-Historie, so konzentrierten sich die neuen Macher mehr auf aktuelle Themen.
Dabei durchbrach man auch den dominanten Fokus auf die franko-
Ebenfalls neu war die Beschäftigung mit einer neuen Generation heimischer Comickünstlerinnen und -künstler, die in den 1990er Jahren hoffnungsvoll in die deutschsprachige Szene drängten. So wurden Zeichner wie Enrico Marini, Reinhard Kleist, Isabel Kreitz oder Dirk Schulz entdeckt und vorgestellt, wo ein Jahrzehnt zuvor noch Porträts der Macher klassischer deutscher Serien wie Fix und Foxi, Jimmy, das Gummipferd oder Mecki die Seiten der COMIXENE beherrschten.
COMIXENE schläft wieder ein
Trotz all dieser höchst vielversprechenden Ansätze erschienen bis zum Frühjahr 1996 nur sieben COMIXENE-Ausgaben in der Ära Bleicher/Kaps. Von Anfang an mussten die beiden Macher nach eigenen Aussagen „finanziell immer nur drauflegen“. Joachim Kaps meinte gegenüber dem Online-Portal Comicgate: “Rückblickend betrachtet sind Thomas und ich wohl etwas unbedarft in die ganze Sache reingestolpert, weshalb es am Ende auch nicht lange gut gegangen ist.“
Der Neuanfang
Anfang 2003 startete ein neues Kapitel in der Geschichte der COMIXENE. Mit Ausgabe 58 setzte JNK Media aus Berlin das Fachmagazin fort. Die Herausgeber Martin Jurgeit, Jörg Krismann und Claudia Nobst hatten zuvor das Magazin Hit Comics veröffentlicht, das als Special-Interest-Zeitschrift für Superheldenfans auf dem Höhepunkt des Heftchenbooms zeitweilig eine Vertriebsauflage von über 10.000 Exemplaren hatte. Als diese Erfolgswelle aber abflachte und wichtige Anzeigenkunden ihre Programme weitgehend stoppten, war mit Hit Comics Schluss.
Daraufhin kamen die Macher auf die Idee, ein neues Comicfachmagazin zu machen, das über die gesamte Comicszene berichtet und holten sich bei den Altherausgebern die Erlaubnis, für dieses Projekt den Namen COMIXENE zu nutzen. Ab Februar 2003 erschien so wieder eine COMIXENE, die aus vertrieblichen Gründen auf den ersten Ausgaben den Zusatz „Hit Comics präsentiert:“ führte. Die Hoffnung, so das alte Auflagenniveau aus Hit Comics-Zeiten halten zu können, erfüllte sich allerdings nicht. Trotzdem gelang es, die COMIXENE erneut in der Szene zu etablieren.
Die COMIXENE von Martin Jurgeit
Im Gegensatz zur Bleicher/Kaps-Periode orientierte sich die neue Redaktion formal mehr am legendären Vorbild der 1970er und 1980er Jahre. Der alte Schriftzug kehrte zurück wie auch das gerahmte Cover-Layout und die gelben Rezensor-Seiten. Diese Änderungen wurden von großen Teilen der Leserschaft gern goutiert, behinderten allerdings das Setzen neuer Akzente. So gab es zwar weiter Aktuelles in der COMIXENE zu entdecken, trotzdem dominierten klassische Themen. Das Heft erschien in den ersten drei Jahren monatlich, wobei im Sommer und Winter jeweils zwei Nummern zu Doppelausgaben zusammen-
Die COMIXENE profitierte damals von den vielen Comicveranstaltungen, die sich im deutschsprachigen Raum etabliert hatten. Mit praktisch allen diesen Festivals - sei es das Comicfestival München, Fumetto in Luzern oder die Faszination Comic auf der Frankfurter Buchmesse - gab es umfangreiche Koopera-
Das Facelifting
Mit der Nummer 82, der ersten Ausgabe im Jahr 2005, kam es zu einem erneuten Relaunch. Das Cover-Design wurde verändert, der Rahmen verschwand wieder und der COMIXENE-Schriftzug prangte jetzt deutlich prominenter über die ganze Heftbreite. Außerdem bekam die COMIXENE einen festeren Umschlag und die vorher schwarzweiß gedruckten Strecken wurden jetzt zumindest zweifarbig.
Trotz des überarbeiteten Erscheinungsbildes vermochte es die COMIXENE aber nicht, neue Leserschichten außerhalb der engen Comicszene zu begeistern. Außerdem lief 2005 die Anschubförderung aus, die Existenzgründern durch das Arbeitsamt gewährt wurde. Das alles führte dazu, dass die Produktion der COMIXENE ab Ende 2005 immer wieder ins Stocken kam.
Deshalb wurde mit Ausgabe 92 auf zweimonatige Erscheinungsweise umgestellt, die allerdings auch nur mit Mühe durchgehalten werden konnte. Der Preis wurde auf 9 Euro angehoben, dafür erhielten die Leser ein deutlich umfangreicheres Heft, dem regelmäßig Beihefter wie die Blueberry-Zeitung The Tombstone Epitaph beigefügt wurden.
Schwerpunktthemen
Viel Anerkennung fanden Schwerpunktausgaben zu komplexen Themen wie ‚Digitale Comics‘ (Nummer 106) oder ‚Comic und Religion‘ (Nummer 107). Doch trotz aller Anpassungen musste eingesehen werden, dass die Käuferschaft der COMIXENE nicht weiter wuchs. Daran konnte auch das Senken des Verkaufspreises ab Ausgabe 111 - bei inzwischen komplett vierfarbigen Druck - auf unter 6 Euro nichts ändern.
Deshalb musste mit der Ausgabe 115 Ende 2012 das Erscheinen erneut unterbrochen werden. Teile der aktuellen Berichterstattung, insbe-
Im August 2015 gelang der bisher letzte Neuanfang. Rene Lehner, der das Magazin einst (1974) gegründet hatte, übernahm erneut die Chefredaktion und setzte das havarierte Schiff COMIXENE wieder zu Wasser. Zusammen mit einem Team kreativer Autorinnen und Autoren erscheint viermal im Jahr ein buntes, mindestens 100seitiges Magazin.
Nach 32 Ausgaben erschien am 26. September 2023 die letzte Nummer (147). Diesmal aber nur teilweise, denn das Logo der COMIXENE wanderte zu ALFONZ, dem anderen bedeutenden Fachmagazin - zusammen mit einigen Rubriken, wie dem Rezensor. Autorinnen und Autoren der COMIXENE schreiben demnach weiter für ALFONZ. Die erste gemeinsame Nummer datiert auf den Januar 2024.
* Eckart Sackmann, Die deutschsprachige Comic-Fachpresse, 2000
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